Interview mit dem Projekt 3D-Part-Screening bei der HPA

01.03.2021

Im Rahmen des Launches der HPA-Partnerstory haben wir bereits mit Tobias Gütschow und Reiner Tews gesprochen. Beide sind Ausbilder bei der HPA und setzten bei ihren Azubis darauf, schon früh mit neuen Technologien in Kontakt zu kommen. Dabei ist das Thema 3D-Druck essentiell. Weshalb 3D-Druck mehr als nur ein Buzzword ist und welche Drucker in ihren Werkstätten stehen, das könnt ihr hier nochmal nachlesen.

Doch nicht nur in der Ausbildung spielt der 3D-Druck eine Rolle. Auch im Bereich Maintenance setzt die HPA auf ein beständiges Vorantreiben und Ausprobieren der Technologie. Dazu haben wir mit Annika Geisemeyer und Rouven Willers gesprochen. Gemeinsam haben sie in bisher zwei Projekten die Potenziale von Kunststoff- und Metalldruck evaluiert. Mit uns haben sie ihre Ergebnisse geteilt und offen über noch bestehende Herausforderungen gesprochen.

homePORT: Nachdem wir bereits mit einigen Kollegen gesprochen haben, die uns über den Einsatz des 3D-Drucks in der Ausbildung berichtet haben, wollen wir mit euch den Fokus nun auf einige Projekte in diesem Kontext richten. Anfang 2019 wurde das Projekt “3D-Druck Pilot” gestartet. Worum ging es dabei und was war das Ziel des Projekts?

Annika: Wir wollten mit diesem Pilotprojekt erstmal schauen, ob es überhaupt Anwendungsfälle für Additive Fertigung bei der HPA gibt, sowohl für Kunststoff- als auch für Metallbauteile – und evaluieren, ob es für den Maintenance Bereich geeignet ist.

Rouven: Genau. Denn unser Maintenance Bereich in der HPA fertigt selbst Ersatzteile für die Anlagen und Infrastruktur im Hafen. Es hat sich also angeboten, in diesem herauszufinden, ob wir 3D-Druck als zusätzliche Fertigungsmethode nutzen können, z.B. um Ersatzteile zu individualisieren und zu optimieren.

Annika Geisemeyer, Projektmanagerin HPA

homePORT: Konnte das Pilotprojekt erfolgreich beendet werden?

Annika: Ja, in der Tat. Da das Projekt aus zwei Teilen bestand, konnten wir sowohl im Bereich der Analyse als auch für den Druck selbst Erkenntnisse gewinnen: Im ersten Schritt haben wir die angesprochene Potentialanalyse von 4 Ersatzteilen der HPA im Rahmen einer Studie des Maritimen Clusters zusammen mit dem Fraunhofer IAPT durchgeführt und dabei einen wichtigen Partner mit starker Expertise an unserer Seite gehabt. Im zweiten Schritt haben wir zwei der analysierten Bauteile als Prototypen gedruckt: Ein Kunststoff-Teil, nämlich ein Lagerdichtring aus einer Anlage der METHA, und ein Metallteil, eine Entkopplungsfeder, die im Messtorpedo unserer Peilschiffe eingesetzt wird.

Rouven: Als Ergebnis konnten wir folgende Erkenntnis verzeichnen: Es gibt geeignete Bauteile und Potential für additive Fertigung im Maintenance Bereich, den wir in einem Anschlussprojekt genauer analysieren möchten. Aber wir haben auch gemerkt: Bei den Metallteilen müssen wir die Potentiale des Re-Designs von Bauteilen noch stärker ausschöpfen, um die Vorteile des 3D-Drucks für uns zu nutzen.

homePORT: Nun befindet sich das Folgeprojekt „3D-Druck Part Screening“ im Abschluss. Welche weiteren Erkenntnisse konntet ihr durch dieses Projekt gewinnen?

Annika: Aufbauend auf den guten Ergebnissen unseres Pilotprojekts haben wir ein gesamtheitliches “Part Screening” unserer Bauteile gemacht, also sind weitere Bauteile durchgegangen und haben sie auf ihre Eignung für additive Fertigung untersucht. Auch hier haben wir mit dem Fraunhofer IAPT zusammengearbeitet, die uns sehr kompetent begleitet und die Teile für uns analysiert haben.  Durch dieses Vorgehen konnten wir einige für die HPA im Bereich 3D-Druck geeignete Bauteile identifizieren. Für den tatsächlichen Einsatz im Betrieb fallen die Ergebnisse zwischen Kunststoff- und Metalldruck sehr unterschiedlich aus.
Im Kunststoffdruck gibt es bereits verschiedene Anwendungen, bei denen die schnelle und individualisierte Fertigung von Teilen sehr hilfreich ist. Zum Beispiel wurde in sehr kurzer Zeit eine Sensorplatte für die Kattwykbrücke konstruiert und gedruckt, als keine Ersatzteile mehr verfügbar waren.

Rouven: Im Metalldruck haben wir vorerst geringere Potentiale festgestellt als erwartet. Das liegt vor allem daran, dass wir an den Infrastrukturanlagen der HPA viele großdimensionierte Bauteile haben, die für 3D Druck nicht direkt infrage kommen – 3D Druck ist gerade für kleine und filigrane Bauteile attraktiv. Dazu kommt, dass die Kosten für gedruckte Metallbauteile noch sehr hoch sind. Nichtsdestotrotz sind in den Maschinen und Anlagen der HPA natürlich auch eine Menge kleiner Teile verbaut. Auch wenn die Anwendung des Metalldrucks derzeit noch nicht wirtschaftlich ist, so bietet sie uns doch immer wieder die Möglichkeit, Bauteile schnell und unkompliziert selbstständig zu produzieren und den Betrieb damit am Laufen zu halten. Wir erwarten außerdem, dass sich die Technologie und die Kosten noch deutlich weiterentwickeln. Um auch im Alltag mehr Anwendungsfälle zu finden und 3D Druck als zusätzliche Fertigungsmethode wenigstens erstmal im Kunststoffbereich zu etablieren, möchten wir den Wissensaufbau in den technischen Bereichen stärken und unsere Beschäftigten stärker für dieses Thema sensibilisieren.

homePORT: Was sind in euren Augen die größten Herausforderungen, mit denen sich die HPA aber auch andere Unternehmen konfrontiert sehen?

Rouven: Weiterhin bleiben die Herausforderungen vielfältig. Neben hohen Kosten, die beim Metalldruck anfallen, ist es schwer, wirtschaftlich sinnvolle Anwendungsfälle im maritimen Bereich zu finden. Um einen Vergleich zu geben: Im Gegensatz zur Luftfahrt kann keine Kostenreduktion durch Gewichtsreduzierung stattfinden.
Auch die Größe der zu druckenden Bauteile ist stark beschränkt. In den meisten Fällen ist lediglich ein Druckraum von 40x40x40cm vorhanden. Häufig sind Bauteile für den Einsatz in der maritimen Branche aber deutlich größer. Das hindert uns derzeit noch, Potentiale voll auszuschöpfen.

Annika: Auch das „Ausprobieren“ gestaltet sich beim Metalldruck noch schwierig. Im Gegensatz zu Kunststoffdruckern können sich viele Unternehmen nicht eben mal so einen Metalldrucker kaufen, um zu testen, ob dieser für ihre Bedürfnisse infrage kommt. Die Kosten dafür sind momentan einfach noch zu hoch. Als letzten Punkt muss man auch die Zertifizierung von Teilen bedenken. Die Idee des 3D-Drucks besteht ja unter anderem darin, sehr schnell einzelne Ersatzteile zu produzieren und einzusetzen. Aufgrund der geltenden Vorschriften müssen derzeit aber viele Teile vor ihrem Einsatz zertifiziert werden. Dadurch kann der Zeitvorteil wieder verloren gehen.

homePORT: Wir von homePORT freuen uns riesig darüber, die HPA einen Netzwerkpartner nennen zu dürfen. Was versprecht ihr euch von der Kooperation?

Rouven: Persönlich freue ich mich auf zusätzliche Flächen zum Ausprobieren und das Erproben von 3D-Druck. Ich denke, dass der Container-Campus am Südausgang des St. Pauli Elbtunnels dafür ein idealer Ort werden wird, der für jeden gut erreichbar ist.

Annika: Dem schließe ich mich an. Ich sehe dabei auch den Austausch mit anderen maritimen Unternehmen. Lernen, zu verstehen, wie sie 3D-Druck umsetzen und welche Anwendungsfälle sie haben, wird auch uns dabei helfen, das Thema weiter voranzutreiben. Wissensaufbau, gerade zum Thema Re-Design von Bauteilen, und ein Ideenpool für neue Anwendungsfälle zu schaffen – das brauchen nicht nur wir. Das ist für die gesamte 3D-Druck-Community essenziell.

homePORT: Liebe Annika, lieber Rouven. Vielen Dank für eure Zeit und die spannenden Einblicke!