Interview mit Alois Krtil vom Artificial Intelligence Center Hamburg ARIC

23.02.2021

Seit Anfang Februar ist es offiziell: Das Artificial Intelligence Center Hamburg e.V. (ARIC) und homePORT machen gemeinsame Sache, um Innovationen in der Metropolregion voranzutreiben. Unter anderem wollen ARIC und homePORT KI-gestützt Produktionnovationen auf den Urban-Tech-Playground im Hafen demonstrieren. Die Umsetzung realer Use-Cases und das Erproben neuer Technologien in einer spannenden Infrastruktur steht im Fokus.

Wir haben mit Alois Krtil, Mitinitiator und Geschäftsführer des ARICs, gesprochen und interessante Einblicke in den Gründungsprozess, die derzeitigen Entwicklungen und weiteren Ziele von ARIC erhalten. Außerdem erfahrt ihr, was Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann zum Thema Smart City sagt und was noch passieren muss, um Hamburg für die Zukunft zu rüsten.

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homePORT: ARIC steht für Artificial Intelligence Center Hamburg e.v. Kannst du kurz erläutern, was die Motive waren, ARIC im Jahr 2019 zu gründen? Welche Ziele hattet ihr?

A: Wir haben das ARIC gegründet, damit die Metropolregion von der Schlüsseltechnologie Künstliche Intelligenz (im weiteren KI) profitieren kann. Es gab keinen Akteur, der das verteilte Wissen im Bereich der Künstlichen Intelligenz in Wirtschaft und Wissenschaft gebündelt und zugänglich gemacht hat und folglich gab es für Unternehmen keinen zentralen Ansprechpartner für diese wichtige Schlüsseltechnologie. Wir hatten gesehen, dass das Thema insbesondere in den vergangenen vier Jahren stark nachgefragt war, aber gleichzeitig viel Unsicherheit und Unwissenheit diesbezüglich herrschte.

Mit dem ARIC wollten wir Unternehmen und der Gesellschaft insgesamt einen unabhängigen Ansprechpartner zur Verfügung stellen, der das Thema KI entmystifiziert und dabei unterstützt, KI selbst kennenzulernen und einzusetzen. Im Bereich der Weiterbildung hatten wir das Ziel, das Wissen rund um KI möglichst vielen Interessierten zur Verfügung zu stellen.

homePORT: Welche Erfahrungen habt ihr während eurer Gründungsphase gemacht?

A: Wir haben sehr schnell sehr viel Unterstützung aus der Wirtschaft und Wissenschaft sowie von der FHH erfahren. Schon im Pre-Opening hatten wir so viele Anfragen, dass wir diese erst einmal sortieren und nach und nach abarbeiten mussten. Bereits nach ein paar Wochen konnten wir eine große interdisziplinäre KI-Community aufbauen und mit den Experten, aber auch Einsteigern loslegen. Dies zeigte, dass unser Konzept voll aufging und das wir schnell skalieren konnten. Nach dem ersten Gründungsjahr waren wir selbst überrascht, wie groß der Bedarf an Anwendungs- und Umsetzungswissen im Bereich KI war und wie viele interessierte Teilnehmer*innen in unseren Formaten mitgemacht hatten. Inzwischen sind wir bei mehr als 1000 aktiven Akteuren, die im ARIC Formate gestalten, daran teilnehmen, Schulungen mitmachen und Projekte durchführen.

homePORT: Gab es “Widerstände” gegen eure Initiative oder seid ihr anderweitig während dieser intensiven Zeit an eure Grenzen gestoßen?

A: Widerstände gab es zum Glück keine. Wir hatten unsere Gründungsbeteiligten und Unterstützer*innen sehr genau ausgesucht, konnten so sehr schnell gemeinsam Energie entfalten und agil loslegen. Unsere non-for-profit DNA war dabei auch sehr hilfreich. Aber wie bei wahrscheinlich jeder Gründung einer völlig neuen Organisation stößt man immer auf Grenzen, wenn die Nachfrage von Tag eins so groß ist – die personellen Kapazitäten, die Entwicklung einer agilen Aufbau- und Ablauforganisation, die Formatentwicklung und -bereitstellung, etc. etc.

homePORT: Welche der gesteckten Ziele konntet ihr bereits erreichen?

A: Wir konnten bereits vielen Mittelständlern auf ihrem KI-Weg helfen und sie bei ihren Fragestellungen unterstützen. Und haben mit 13 unterschiedlichen Universitäten Kollaborationsprojekte initiiert. Wir freuen uns auch darüber, dass wir bereits so viele Erfahrungen mit unseren Formaten unserer drei Handlungsstränge INFORMATION, IMPLEMENTIERUNG und WEITERBILDUNG sammeln konnten. Mehr als 8000 Teilnehmer*innen konnten bei Workshops, Good-Practice-Veranstaltungen, Webinaren, Blended-Learning Modulen etc. unser Angebot nutzen. Daraus ist eine große Community entstanden, die wir nun kontinuierlich ausbauen und auch international verknüpfen, u.a. durch unsere zwei neuen Satelliten-Standorte in Tallin/Estland und Prag/Tschechien.

homePORT: Welche Rolle spielte und spielt dabei noch immer euer Netzwerk?

A: Unser internationales Netzwerk, das auch durch unsere Mitglieder stetig erweitert wird, ist für unsere Arbeit essenziell. KI ist ein komplexes Thema, das kritische Masse an Know-how und Köpfen benötigt. Erst durch internationale Kollaboration kann man wirklich über den eigenen Tellerrand schauen und Wissen- und Technologietransfer betreiben. Daher sind wir Mitbegründer und gleichzeitig Teilnehmer in internationalen KI-Netzwerken.

homePORT: Am 29.01. habt ihr mit Hamburgers Senator Westhagemann zu Themen der Smart City gesprochen. Das zeigt, dass ihr mit ARIC auch städtische Akteure für KI-Themen gewinnen und mobilisieren konntet. Kannst du uns die für euch wichtigsten Punkte des Gesprächs erläutern?

A: Wir haben gesehen, dass die FHH mit Senator Michael Westhagemann einen smarten Kopf hat, der die notwendigen Veränderungen im Bereich der digitalen Transformation einer Zukunftsmetropole sehr genau im Blick hat und ein gutes Verständnis für KI mitbringt. Wir konnten in dem Gespräch die Notwendigkeit für die Investitionen in „Grundbausteine“ (building blocks) der Digitalisierung im Smart City Bereich, z.B. eines Digitalen Zwillings oder einer digitalen ID, festhalten. Dies gilt für städtische Unternehmen, aber auch die Privatwirtschaft. Beide sind Teil einer smarten Metropole und sollten kollaborieren. Aber auch über die Wichtigkeit einer angemessenen und pragmatischen Regulierung sowie Data Governance wurde diskutiert. Ohne diese werden viele Initiativen nicht operationalisiert und könnten nur als Proof-of-Concept (PoC) enden. Ein weiterer wichtiger Punkt im Gespräch war der Zugang zum Wissen und in dem Zusammenhang auch zum Thema „Data Literacy“ – Wissen und Fertigkeiten bei der Datennutzung, -verarbeitung, -speicherung etc. Erst eine Aus- und Weiterbildung in diesen Bereichen hilft, ein Verständnis für KI und weitere Schlüsseltechnologien zu erlangen, die Themen zu entmystifizieren und die richtigen Fragen stellen zu können. Offene Bildungsangebote sowie eine gesunde Kommunikation über die Möglichkeiten und auch Risiken helfen dabei.

homePORT: Was erhofft ihr euch des Weiteren von der positiven Resonanz des Gesprächs?

A: Wir erhoffen uns zum einen eine größere Awareness für die Notwendigkeit einer digitalen KI-gestützten Transformation des Standortes, sei es im Service-Bereich oder bei der Investition in Hardware. Denn das kann die Resilienz einer Stadt wie Hamburg in der Zukunft entscheidend beeinflussen. Zum anderen möchten wir interessierte Unternehmen, Hochschulen und weitere Institutionen zum Mitmachen anregen. Wir würden uns freuen noch mehr zukunftsweisende interdisziplinäre Projekte anzustoßen und gemeinsam zu lernen.

homePORT: Welche Ziele und Pläne habt ihr für 2021 und die nachfolgenden Jahre?

A: Wir möchten den Zugang zur KI für jedermann öffnen. Und gleichzeitig spezifische Wissens- und Anwendungsdomänen im KI-Bereich voranbringen. Dafür benötigen wir (allgemeine) Einstiegsformate, aber auch sehr spezifisches Fachwissen und Angebote. Daher möchten wir uns in den kommenden Jahren auf für den Standort relevante Anwendungsfelder fokussieren und dort mehr Impact mit KI erwirken. Auf europäischer Ebene werden wir die mensch-zentrierte KI voranbringen, denn auch von diesen Methoden kann die Metropolregion stark in ihrer Transformation profitieren. ARIC wollen wir schon im Jahr 2021 international auf die KI-Landkarte setzen und etablieren. Wichtig ist dabei, dass die Akteure offen für Veränderungen sind und diese aktiv mitgestalten; ansonsten verpuffen Bemühungen zu einmaligen Aktivitäten. Wir würden uns wünschen, dass man gemeinsam diesen Weg geht und jeder seinen Teil dazu beiträgt, in die Zukunft zu investieren.

homePORT: homePORT freut sich riesig, einen so erfahrenen und starken Partner wie ARIC im Netzwerk zu haben. Was versprecht ihr euch von der Kooperation?

A: Wir freuen uns sehr, dass ARIC mit dem homePORT einen Partner gefunden hat, um gemeinsam im urbanen Umfeld Innovationen zu erproben und weiterzuentwickeln. Insbesondere hardware-basierte Technologien benötigen einen echten Tech-Playground, in dem man unter realistischen Bedingungen ausprobieren und arbeiten kann. Unsere Algorithmen und software-basierten KI-Anwendungen können im homePORT sozusagen in der realen Welt beobachtet und erfahren werden; das hilft u.a. auch bei der Entmystifizierung der KI durch praktische anfassbare Use Cases, die jede Bürgerin und jeder Bürger selbst erfahren kann. Das homePORT-Team ist darüber hinaus ein idealer Format-Partner, z.B. für gemeinsame Events und Workshops sowie Multiplikator mit einem starken Netzwerk.

homePORT: Lieber Alois, wir danken dir für deine Zeit. Auf eine gute Zusammenarbeit!

Hamburg hat zahlreiche Coworking-Spaces, aber ein besonderer Ort zum Ausprobieren und Experimentieren mit hardwarebasierten Innovationen in einer solchen Location wie dem Hamburger Hafen fehlt den technologieorientierten Startups hier am Standort.

Alois Krtil
Geschäftsführer des ARIC

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